Dr. Hans-Jürgen Kotzur
Der Mainzer Dom St. Martin ist eines der bedeutendsten und ehrwürdigsten deutschen Baudenkmäler. Sowohl seine künstlerische Stellung als einer der frühen deutschen Gewölbebauten als auch seine geschichtliche Stellung im Mittelalter als Kirche der Erzkanzler des Reiches zeichnen ihn aus.
Es handelt sich um eine dreischiffige romanische, durch gotische Seitenschiffe erweiterte Gewölbebasilika mit Westquerhaus, trikonchialem Westchor (drei Nischen) und querhausartigem Ostchor mit Apsis. Gebaut ist er aus rotem Sandstein bzw. aus Kalkstein (Langhaus). Die äußere Gesamtlänge beträgt 116 Meter, die innere 109 Meter; die Höhe des Westturms 82 Meter.
Den Kern des heutigen Domes bildet der ab 975 von Erzbischof Willligis errichtete Bau, der bereits am Vortag seiner Weihe 1009 abbrante. Von Willigis’ Nachfolgern wurde die Wiederherstellung intensiv gefördert, so daß der Neubau bereits 1036 von Erzbischof Bardo geweiht werden konnte. Nach einem Brand 1081 werden zu Beginn des 12. Jahrhunderts Langhaus und Ostchor neu errichtet; Ende des 12. Jahrhunderts/Anfang des 13. Jahrhunderts wird der heutige Westbau angelegt. Nach umfassenden Renovierungsarbeiten unter Erzbischof Siegfried III., bei denen u.a. auch der sog. "Naumburger Meister" den berühmten Westlettner errichtet (1679 abgebrochen; Reste im Dommuseum) wird der Dom 1239 neu geweiht. 1279-1319 wird der Dom durch eine prachtvolle Reihe großfenstriger Seitenkapellen erweitert, 1390-1410 der Kreuzgang erneuert.
Auch die Türme werden in gotischer Zeit immer wieder verändert. Als 1767 ein Blitzschlag den Westturm zerstört, wird er 1769-1774 von Franz Ignaz Michael Neumann in seiner jetzigen markanten Form wiedererrichtet. Weitere Brände sowie die Zerstörungen durch die französische Besatzung ruinieren den Dom derart, daß 1806 sein Abbruch angeordnet wird, der durch das persönliche Engagement von Bischof Joseph Ludwig Colmar (1802-1818) aber verhindert werden kann. 1828 erhält der Dom die berühmte, von dem Architekten Georg Moller entworfene Eisenkuppel, die 50 Jahre später wieder niedergelegt und durch die heutige Ostlösung, gestaltet durch Petrus Cuypers, der seit 1873 die Bauleitung übernahm, ersetzt wird. 1925-1928 werden, bedingt durch das Absinken des Grundwasserspiegels, die die Holzpfähle, auf denen der Dom steht, verfaulen lassen, umfangreiche Sicherungsmaßnahmen vorgenommen. Dies trug dazu bei, daß der Dom die schweren Kriegsangriffe trotz abgebrannter Dächer weitgehend unbeschadet überstand.
Als eine der wenigen deutschen Kathedralen hat der Mainzer Dom in weiten Teilen seine originale Ausstattung bewahrt. Insbesondere die Reihe seiner erzbischöflichen Grabdenkmäler vom Hochmittelalter bis ins 20. Jahrhundert ist einzigartig. Sie zeugen von der geschichtlichen Bedeutung der Mainzer Erzbischöfe als "Königsmacher". Als wichtigste gotische Ausstattungsstücke haben sich daneben das Taufbecken von 1328 erhalten, das als der größte mittelalterliche Zinnguß der Welt gilt sowie die berühmte Memorienpforte, die den Durchgang vom Dom zum ehemaligen spätromanischen Kapitelsaal bildet. Vom Glanz der Mainzer Kurfürsten in der Zeit von Renaissance und Barock zeugen die großartigen Chorgestühle im Ost- und Westchor. Als wichtigstes Zeugnis der Kunst des 19. Jahrhunderts gelten die 1859-1864 entstandenen Gemälde des Nazareners Philipp Veit im Langhaus. Besondere Erwähnung verdient auch die 1137 vollendete Gotthard-Kapelle an der Nordseite des Domes mit dem berühmten romanischen Udenheimer Kruzifix.